Von der Vision zum Unternehmen, Folge 4

Aus eigener Kraft wachsen, gestalten, verändern

Es taucht in jedem Management-Lehrbuch auf und ist auch sonst als nützliches Werkzeug sehr angesehen: das „lernende Unternehmen“. Eine unverzichtbare Voraussetzung dafür, dass dieses Prinzip funktioniert, hat sich von Anfang an bei mir die Erkenntnis verfestigt, dass genau dieselbe die wertvollste regenerative Energie für das Gedeihen einer Firma ist – also die Erkenntnis. Dass eine Idee mal klappt, um später wieder zu scheitern? Normal. Dass eine Idee zum Scheitern verurteilt scheint, aber später eine unglaubliche Kraft entwickelt? Normal. Dass mal keine Idee da ist, wenn man eine braucht? Normal. Dass man sich zwischen mehreren Ideen entscheiden muss, weil sie sich widersprechen oder zu viel Kräfte binden, wenn sie alle gleichzeitig umgesetzt werden sollen? Normal.

Technisches FM als neues Geschäftsfeld

Nehmen wir das Infrastruktur-FM, mit dem ich begonnen hatte. Wir wuchsen an Mitarbeitenden, an Erfahrung und an Ideen. Bald bot es sich an, das Wissen, das wir beim Reinigen von Liegenschaften und Objekten gewonnen hatten, auch an anderer Stelle zu nutzen – es für uns arbeiten zu lassen. Das Geschäftsfeld existierte schon in den USA und startete gerade in Deutschland: Technisches FM. Aber waren wir da wirklich schon gut genug? Sollten wir es einfach „on top“ anbieten und umsetzen? Der vermeintlich einfache, weil direkte Weg erschien mir verdächtig. Warum fand ich am Markt auch so wenige Anbieter, die beides unter ihrem Dach vereinigten und nicht zu den ganz Großen gehörten? Wir entschieden uns für den „sortenreinen“ Ausbau der Gewächse und gründeten ein eigenes Unternehmen für das TFM. Es sollte sich aus eigener Kraft und mit eigener Dynamik entwickeln können.

Weshalb die Firma Sasse dann den ersten Ingenieur ihrer Geschichte einstellte. Es zeigte sich dann auch von Anfang an, dass ein solches Talent ein eigenes Biotop braucht, um zu gedeihen. Vieles, was wir schon wussten, war für ihn nützlich und wertvoll. Aber erst aus seiner Perspektive konnte dieses Wissen die Kraft entfalten, dass ein Geschäft daraus wurde.

FM braucht eine Stimme in der Öffentlichkeit

Die zweite Erkenntnis, Börsianern und Investoren ist sie bestens bekannt: „There is no free lunch.“ Auf Deutsch: „Du bekommst nichts geschenkt.“ Vor allem dann, wenn man zu den eher kleineren Fischen im Becken gehört. Wobei ich ihn nicht auf die Opportunitätskosten anwenden wollte, sondern auf das Umfeld, in dem unser junges Unternehmen agierte. Die FM-Branche spielte in der Wahrnehmung weder bei der Öffentlichkeit noch – schlimmer! – bei den Kunden eine Rolle. Unsere Services waren praktisch, aber beliebig. Neben einigen Branchenriesen stand die Mehrheit der kleinen und mittelständischen Unternehmen im tiefsten Schlagschatten – auch wir. Was zur Folge hatte, dass unser geschäftliches Geschick vielfach von Zufällen abhängig war und wir uns kaum auf Standards berufen konnten.

Und so schlug 1989 in Stuttgart die Stunde der GEFMA, der German Facility Management Association. Die Hand an der Glocke für diesen Stundenschlag war meine. Denn mir war nicht nur die Sache mit dem „free lunch“ bewusst, sondern auch die Chance, die sich für die Firma Dr. Sasse ergeben würden, wenn unsere Branche mit einheitlicher, starker und überzeugender Stimme im Wirtschaftsleben mitredet. Die Motivation, hier ehrenamtlich Zeit und Knowhow zu investieren, war also nicht ganz selbstlos, lag aber klar auf der Hand: Wer, wenn nicht die mit allen Aspekten bestens vertrauten Insider, waren in der Lage, hier Abhilfe zu schaffen? Die Prinzipien der ersten Stunde bei jedem Auftrag – hinschauen, mitdenken, erledigen – erwiesen sich für mich auch bei dieser Aufgabe als konsequent und richtig. Dass der Verband heute mehr als 1000 Mitglieder zählt und FM als „Die Möglichmacher“ zur Systemrelevanz verholfen hat, freut mich umso mehr.

Weitere Folgen der Reihe zur Unternehmensgeschichte

Folge 1: Am Anfang war ein Wunsch

Folge 2: Das Team macht die Musik

Folge 3: Der erste Schritt über die Grenze